Credit: Keystone/Georgios Kefalas
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«Stapelweise gestrandete Koffer gab es bei uns keine»

Seit 2015 leitet Matthias Suhr den EuroAirport Basel Mulhouse Freiburg. Während andere europäische Flughäfen im Chaos versanken, nahm am EuroAirport in den letzten Monaten vieles seinen gewohnten Gang.

Interview Andreas Zurbriggen

Matthias Suhr, die reiseintensive Sommerzeit ist durch. Viele europäische Flughäfen waren in den letzten Monaten massiv überfordert. Wie sah die Situation am EuroAirport aus?
Auch bei uns waren die letzten Monate eine grosse Herausforderung. An einigen Spitzentagen war die Anzahl Passagiere sogar höher als vor der Pandemie, aber wir hatten genügend Personal und die Wartezeiten hielten sich in Grenzen. Lediglich bei der Passkontrolle gab es vereinzelt längere Wartezeiten.

Können kleinere Flughäfen wie der EuroAirport Passagier-Anstürme flexibler bewältigen?
Mit der Ausnahme einer Flugverbindung nach Kanada bieten wir nur Kurzstreckenflüge innerhalb Europas an. Daher entfallen für uns einige logistische Schwierigkeiten der grossen Drehkreuze wie etwa das Gepäckumladen zwischen zwei Flügen. Stapelweise gestrandete Koffer gab es bei uns in den letzten Monaten somit keine.

Der EuroAirport ist eine Erfolgsgeschichte. Zwischen 2004 und 2019 konnte die Anzahl an Passagieren von 2,5 auf über 9 Millionen mehr als verdreifacht werden. Erreichen Sie in diesem Jahr wieder das Vor-Corona-Niveau?
Nein, frühestens 2025 könnte sich die Passagieranzahl wieder auf ähnlich hohem Niveau einpendeln. In diesem Jahr rechnen wir mit knapp unter sieben Millionen Passagieren. Ständiges Wachstum ist aber auch gar nicht unser primäres Ziel.

Sondern?
Als Flughafen im Dreiländereck Nordwestschweiz, Elsass und Südbaden richten wir unser Angebot nach der Nachfrage der dort ansässigen Bevölkerung und Unternehmen. Als zweites wollen wir den Flugbetrieb so organisieren, dass wir den Anforderungen der Nachhaltigkeit genügen.

Der EuroAirport befindet sich auf französischem Boden, unterliegt durch Verträge jedoch auch Schweizer Recht. Da hatten Sie als Direktor während der Corona-Pandemie wohl alle Hände voll zu tun, um zwischen den beiden Staaten zu vermitteln?
Das binationale Modell des EuroAirport ist weltweit einzigartig. Da der Flughafen auf französischem Boden liegt, gilt prinzipiell französisches Recht. Gerade während der Pandemie-Zeit gab es viel Erklärungsbedarf, um den Schweizer Standpunkt darzulegen, damit für Passagiere aus der Schweiz die Schweizer Reiseregeln angewendet werden konnten.

Seit 2015 ist Matthias Suhr Direktor des EuroAirport.
Seit 2015 ist Matthias Suhr Direktor des EuroAirport.

Gibt es auch Vorteile, die ein multinationaler Flughafen mit sich bringt?
Da Frankreich, Süddeutschland und die Schweiz zu unterschiedlichen Zeiten Schulferien haben, profitieren wir übers Jahr hinweg von neun zusätzlichen Wochen mit erhöhtem Passagieraufkommen.

60 Prozent aller Flüge am EuroAirport werden von EasyJet durchgeführt. Verdankt der EuroAirport EasyJet seinen Erfolg?
EasyJet ist ganz klar der Platzhirsch am Euro­Airport. 2004 ergriff EasyJet die Möglichkeit, das von Swissair und Crossair hinterlassene ­Vakuum zu füllen. EasyJet Switzerland hat heute am EuroAirport zehn Flugzeuge stationiert. Dies ist ein Glücksfall für uns, weil die EasyJet die Nachfrage der trinationalen Region weiterhin decken kann.

Vom EuroAirport fliegen 25 verschiedene Airlines 90 unterschiedliche Destinationen an. Welche Destination ist besonders begehrt?
Vor Corona war das eindeutig London mit seinen drei Flughäfen. Als dann Grossbritannien strenge Coronaregeln einführte, verschob sich die beliebteste Destination hin zu Pristina. Die kosovarische Community in unserem Einzugsgebiet ist sehr präsent.

Seit Jahrzehnten besteht der Wunsch einer Bahnanbindung an den EuroAirport, der zurzeit mit dem öffentlichen Verkehr nur per Bus erreichbar ist. Glauben Sie noch an die Realisierung dieses Projekts?
Ich bin überzeugt, dass die Anbindung des Euro Airport an ein länderübergreifendes S-Bahn-Netz im öffentlichen Interesse steht und das Projekt daher realisiert werden wird. Das dauert aber bestimmt noch mindestens zehn Jahre.

EuroAirport

Der 1946 eröffnete EuroAirport Basel Mulhouse Freiburg gehört zusammen mit dem Flughafen Zürich und Genf zu den drei sogenannten «Landesflughäfen» der Schweiz. An Spitzentagen wird der Flughafen von 30 000 Personen frequentiert. Er ist der kleinste der drei Landesflughäfen und der einzige Flughafen weltweit, der von zwei Nationen gemeinsam betrieben wird. Matthias Suhr leitet seit 2015 den EuroAirport. Zuvor war der studierte Anwalt stellvertretender Direktor beim Bundesamt für Zivilluftfahrt.

Im vergangenen März haben die französischen Behörden grünes Licht für die Detailplanung eines S-Bahn-Projekts mit Anbindung an den EuroAirport gegeben. Die Gemeinde Allschwil hat daraufhin aus Angst vor mehr Lärm in Strassburg gegen das Projekt geklagt. Ist die Angst berechtigt?
Zurzeit reisen 42 Prozent der Passagiere aus der Schweiz mit dem öffentlichen Verkehr an den EuroAirport. Gäbe es eine Zugverbindung würde dieser Anteil ungefähr auf 45 Prozent steigen, wie eine unabhängige Studie berechnet hat. Damit wird es wegen der Bahnanbindung des Flughafens zu keinem signifikanten Wachstum im Flugverkehr kommen.

Mit hohen Lärm- und CO2-Emissionen steht der Flugverkehr seit Jahren im Kreuzfeuer der Kritik. Gibt es Lösungsansätze?
Ja, einige. Besonders störend ist Lärm in den ersten Nachtstunden. Zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens besteht ein Start- und Landeverbot, das die Behörden nur in Ausnahmefällen aufheben. Seit dem 1. Februar dieses Jahres dürfen nach 23 Uhr keine Starts mehr geplant werden. Kann eine Airline dieses Zeitlimit wegen einer selbst verschuldeten Verspätung nicht einhalten, muss sie eine Busse bezahlen.

Und wie sieht es mit dem CO2-Ausstoss aus?
Der weltweite Flugverkehr ist für zwei bis drei Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich. Obwohl das prozentual nicht viel ist, muss dagegen etwas getan werden.

Nämlich?
Der Flughafen selber kann und muss in erster Linie den CO2-Abdruck seiner eigenen Infrastrukturen beeinflussen. So streben wir bis ins Jahr 2030 CO2-Neutralität an. Seit kurzem sind wir etwa ans Fernwärme-Netz von Saint-Louis angeschlossen, seit 2020 kaufen wir ausschliesslich Strom aus nicht-fossiler Produktion. Auf die Airlines haben wir als Flughafenbetreiber nur bedingt Einfluss. Die Luftfahrt setzt sich aber für einen CO2-neutralen Flugverkehr bis 2050 ein.

Ist das realistisch?
Dank Beimischungen von synthetischen Kraftstoffen ins Kerosin werden schon in naher Zukunft die CO2-Emissionen pro Flug sinken. Auch bei der Entwicklung von Wasserstoff- und Elektromotoren werden Fortschritte erzielt, sodass diese künftig im Flugverkehr zum Einsatz kommen könnten.

Ihre Prognose: Wird der Flugverkehr am EuroAirport bis 2050 noch zunehmen?
Ich rechne bis ins Jahr 2050 mit nicht viel mehr Passagieren am EuroAirport als noch vor der Krise. Der EuroAirport bietet wohl auch in Zukunft vor allem Flüge nach Destinationen in Europa an. Hier werden langfristig der Zugverkehr und andere alternative Antriebsformen vermehrt eingesetzt.

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