Ludwig Hasler ist Autor und Redner. An Vorträgen schätzt er die direkten Rückmeldungen des Publikums.
Ludwig Hasler ist Autor und Redner. An Vorträgen schätzt er die direkten Rückmeldungen des Publikums. Credit: zvg
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Jung und Alt müssen im Dialog bleiben

Ludwig Hasler ist ein gefragter Gesprächspartner und Referent zum Thema «Alter». Dazu hat er zwei einschlägige Bücher verfasst. Hasler plädiert dafür, den dritten Lebensabschnitt so lange wie möglich sinnvoll und zum Nutzen nachfolgender Generationen zu gestalten.

Artur K. Vogel

Herr Hasler, Sie sind dank Ihren jüngsten zwei Büchern zum Spezialisten für Themen des dritten Alters geworden, so etwas wie der Schweizer Gerontologie-Guru. Haben Sie diese Rolle gesucht?
Am liebsten würde ich sie gleich wieder los. Es ist belämmernd genug, dass wir uns im Alter immer mehr mit uns selbst beschäftigen. Da will ich meine Galgenfrist nicht noch mit Altersbüchern zubringen. Reden hält mich ohnehin lebendiger als Schreiben. Da komme ich unter Leute, es gibt unmittelbar Resonanz und ich kann über meine Leibthemen reden – digitaler Wandel, das Verhältnis von Mensch und Maschine, das Glück, eine gute Lehrerin zu finden, die Bildung, die Politik, Innovation…

Sie sind geistig und körperlich sehr frisch – «rüstig» nannte man das früher. Ich möchte Ihnen eine saudumme Frage stellen: Wem oder was schreiben Sie das zu?
Lebhaften Interessen. Für mich ist das Geheimnis für gute Laune: Dass immer etwas da ist, an das ich mich verlieren kann, das mich interessiert, also anzieht, bewegt, animiert. Momentan ist es Astrophysik. Auch die Intelligenz der Pflanzen. Und seit langem die Frage «Was kann die Maschine besser – und womit bleibt der Mensch besser?» oder «Wie verhalte ich mich zu den Mächten des Unsichtbaren?». Wer sich vital interessiert für Dinge, die bedeutender sind als das kleine Ego, ist gerettet.

Sie plädieren in Ihrem Buch «Für ein Alter, das noch was vorhat» dafür, in den «geschenkten» Jahren nach der Pensionierung etwas Sinnvolles zu unternehmen und «an der Zukunft mitzuwirken». Abgesehen davon, dass Sie Bücher schreiben und Vorträge halten – wie wirken Sie an der Zukunft mit?
Reicht das nicht? Es scheint, ein paar meiner Überlegungen treiben Früchte. Meinem Altersbuch sind inzwischen zwei Stiftungen entsprungen. Zwei Leser, die mit ihrem Geld nicht nur auf Kreuzfahrten wollen, fanden, man sollte meine Idee gesellschaftlich realisieren. So entstand die Stiftung «Generationenforum Zürich».

«Wer sich vital interessiert für Dinge, die bedeutender sind als das kleine Ego, ist gerettet.»

Die andere Stiftung ist in Flims zuhause. Dort schlug ein Hausarzt seinem Patienten vor, zusammen mein Buch zu lesen. Die «Therapie» funktionierte – der Mann gründete die Stiftung «gate2science», sie macht Jugendliche stark in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft. So wirke ich an der Zukunft mit, ohne selbst etwas tun zu müssen…

Unter anderem regen Sie an, die verbleibende Energie statt für sinnlose Rumreiserei lieber dazu zu nutzen, junge Menschen zu fördern. Was aber, wenn keine Energie verbleibt? Kann man auch als gebrechlicher alter Mensch noch ein sinnvolles Leben führen?
Ich wende mich ausdrücklich an Leute im sogenannten «Dritten Alter» – die sind bei Kräften und bei Sinnen, nicht alt im herkömmlichen Sinn. Warum sollten sie als Passivmitglieder der Gesellschaft ihre Tage verbringen – viele Jahre bloss als Endverbraucher ihrer Lebenschancen? Das macht weder privat noch sozial Sinn. Sinn stiftet Mitwirken, nicht Privatisieren. Sinn heisst: Eine Bedeutung auch für andere haben. Aber klar, irgendwann klopft das Vierte Alter an; mit Schwäche, Schmerzen, Hinfälligkeit. Dann ist Schluss mit Aktivmitglied aber nicht mit Teilnahme. Dann zeigt sich: Habe ich etwas, mit dem ich mich vergessen kann? Interessieren mich die Mauersegler, die Musik, Hörspiele? Kümmere ich mich dann nur um mich, habe ich schlechte Karten. Ich schrumpfe, bin letztlich nicht zu retten.

Zur Person:

Ludwig Hasler (78) wuchs in Beromünster LU auf, studierte Philosophie, Physik und Altgriechisch und war danach als Journalist wie auch als Universitätsdozent für Philosophie tätig. Heute ist Ludwig Hasler vor allem als Referent unterwegs. Zudem schreibt er Kolumnen, Essays und Bücher wie etwa «Für ein Alter, das noch was vorhat» (2019) oder «Jung & alt» (2022) zusammen mit Samantha Zaugg. Hasler, der in Zollikon ZH lebt, ist verheiratet und hat schon einen Urenkel.

Sie schreiben abwechslungsweise mit Samantha Zaugg, die 50 Jahre jünger ist als Sie, eine Kolumne über Themen, welche die Generationen trennen oder auch vereinen. Gelingt dieser Dialog über zwei Generationen hinweg?
Mal mehr, mal weniger. Hauptsache, wir bleiben im Gespräch. Denn wenn wir Alten, Akteure der Gesellschaft bleiben wollen, müssen wir uns unbedingt mit den Hauptakteuren verständigen, also mit den Jungen. Die Jungen sind die aktuellste Ausgabe der Menschheit, sie werden gleich die Welt übernehmen, hoffentlich mit ein paar schlaueren Ideen. Wir Alten sollten sie dabei unterstützen, ihre Ängste ernst nehmen, bitte ohne Besserwisserei. Samantha und ich kannten einander zu Beginn gar nicht. Umso rücksichtloser konnten wir schreiben – und uns bei allerlei Vorurteilen ertappen. Verständigen müssen wir uns nicht partout, es ist schon interessant, wo wir gnadenlos aneinander vorbeireden. Zuversichtlich stimmt: Der Briefwechsel läuft von selbst, nie mussten wir krampfhaft nach Themen suchen.

«Sinn stiftet Mitwirken, nicht Privatisieren.»

Als Philosoph beanspruchen Sie eine gewisse Deutungsmacht. Als alter weisser Mann hingegen muss man sich mit schwindender Bedeutung und Beachtung abfinden. Haben Sie sich damit abgefunden, oder kämpfen Sie mit Ihren Büchern, Essays und Vorträgen dagegen an?
Deutungsmacht? Ich beanspruche keine und erreiche wohl eben darum manche Leute. Ich halte es mit Sokrates. Philosophieren heisst nicht, Weisheiten in die Leute zu stopfen. Philosophieren ist eine Hebammenkunst. Leute, die mir zuhören, sind nicht dümmer als ich, sie kamen bloss bisher nicht dazu, herauszuholen, was sie insgeheim wissen. Da biete ich mich als Geburtshelfer an. Viele sagen danach, beim Zuhören habe ihr Hirn gleich auf aktiv geschaltet.

Samantha Zaugg, wie gesagt 50 Jahre jünger, teilt in dem Briefwechsel ganz schön aus und stellt Sie in den Senkel. Sie behauptet auch, dass «alte weisse Männer» keine Kritik einstecken könnten. Haben Sie gelernt, diese jugendliche Unverfrorenheit zu akzeptieren?
Sie ist das Vorrecht der Jugend. Ich fand es zum Beispiel lustig wie Samantha mir vorhielt, wir Alten machten so ein lachhaftes Theater um Rotwein. Gut möglich, ja. So ein frischer Blick kann irritieren, klar, aber auch befreien – aus eingespielten Beschränkungen. Die Blockade zwischen Jung und Alt verläuft ja generell in Klischees. Wir Alten leben im stolzen Bewusstsein, den Wohlstand erarbeitet zu haben, den die Jungen geschenkt bekommen. Insgeheim erwarten wir Dankbarkeit. Und kriegen Prügel. Nicht dass die Jungen Wohlstand nicht mögen; nur sehen sie auch die Dreckseiten, die wir Alten meist erfolgreich übersahen. Durch diese Fixierungen müssen wir durch, wenn wir uns nicht komplett entfremden und wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht verspielen wollen.

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