Es gehört zu den Besonderheiten der Boggera, dass man an vielen Stellen aussteigen kann, um einen Sprung zu vermeiden – oder ihn zu wiederholen.
Es gehört zu den Besonderheiten der Boggera, dass man an vielen Stellen aussteigen kann, um einen Sprung zu vermeiden – oder ihn zu wiederholen. Credit: Andreas Minder
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Adrenalinstösse in wilder Fels- und Wasserwelt

Schwimmend, springend, rutschend und am Seil durch steile Schluchten. Das ist Canyoning. In der Schweiz ist das Tessin der Ort für dieses vertikale Vergnügen. Es gibt Touren in allen Schwierigkeitsstufen. Doch Vorsicht: Auch jene für Anfänger sind nicht ohne.

Andreas Minder

Gefühlte 20 Meter unter mir schimmert eine smaragdgrüne Pfütze. Neben mir stürzt ein Bach in dieses winzige Becken hinunter. Ich sollte es ihm gleichtun – so wie die drei Teilnehmenden der geführten Canyoning-Tour vor mir.

Sie sind alle prustend wieder aufgetaucht und weitergeschwommen – was beweist, dass man den Sprung überleben kann. Hinter mir warten die anderen. Also nehme ich die Brille ab und verstaue sie im Neoprenanzug. Jetzt ist das Becken nur noch ein verschwommener grünlicher Punkt. Was hat mich bloss geritten, als ich diese Tour gebucht habe?

«Ich stehe an der Todesklippe, der Schweiss fliesst, diesmal ist er kalt.»

Es muss damit zusammenhängen, dass ich die Tessiner Flüsse und Bäche liebe. Die dramatisch geschliffenen Becken, das klare grüne Wasser. Es gibt nichts Schöneres, als einer Schlucht schwimmend, kletternd und wandernd zu folgen und sich zwischendurch auf eine warme Steinplatte zu legen. Canyoning schien mir nichts anderes zu sein als die Fortsetzung des Flusswanderns mit anderen Mitteln. Als ich auf das Angebot «Boggera Family Fun» stiess, eine Tour, an der schon Achtjährige teilnehmen dürfen, gab es kein Halten mehr.

Becken, Wasserfälle, Rutschen

Treffpunkt ist der alte Bahnhof Osogna-Cresciano in der Riviera, die Tessiner Basis der Touranbieterin Swiss River Adventures GmbH. Wir zwängen uns in den Neoprenanzug, zurren den Klettergurt fest und setzen den Helm auf. Dann watscheln wir in den weichen Canyoningstiefeln los. Ein Pfad führt steil bergauf, nach wenigen Minuten sind wir schweissgebadet. Die Boggera entspringt auf etwa 2700 Metern und mündet zwischen Osogna und Cresciano in den Tessin. Das unterste Stück, die Boggera inferiore, ist steil, hier reihen sich Becken, Wasserfälle und Felsrutschen aneinander.

«Ohne Angststarre nehme ich auch die märchenhaft schöne Fels- und Wasserwelt um mich herum wahr.»

Nach einer halben Stunde sind wir beim Einstieg, los geht’s. Bald kommt der erste Sprung. Eindrücklich hoch, finde ich, aber das Becken darunter ist gross. Die Führer zeigen uns, wie man springt. Die Hände vor der Brust gekreuzt, den Körper leicht nach hinten gelehnt. Es braucht Überwindung, aber es geht. Wie sollte es anders sein, schliesslich werde diese Einsteigertour jährlich von etwa 1000 Leuten begangen, wie Katrin Blumberg von Swiss River Adventures sagt. Die meisten seien zwischen 20 und 50 Jahren alt. Immerhin sind es also nicht vorwiegend Unterstufenschülerinnen, die hier kaltlächelnd in Abgründe hüpfen.

Nichts für Warmduscher

Ich stehe an der Todesklippe, der Schweiss fliesst, diesmal ist er kalt. Soll ich mich wirklich hinunterstürzen? Hätte ich mich vorher von meiner Familie verabschieden sollen? Hat es einen Grund, dass Swiss River Adventures eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist? Ist der Mensch überhaupt dafür geschaffen, den festen Boden unter den Füssen zu verlassen? Einen Urschrei und ein paar Sekunden später tauche ich aus kaltem Wasser auf. Ich bin gesprungen, ich habe überlebt. Krass. Als ich hochschaue, wieder bebrillt, sieht es nicht mehr so schlimm aus. Fünf Meter seien es, lässt mich unser Führer wissen. Aha. Easy sei es gewesen, sage ich zu meiner Kollegin, die die Stelle zu Fuss umgangen ist. Was für eine Warmduscherin.

Weitere Infos

Die Canyoning-Touren finden mit einer beschränkten Anzahl an Teilnehmenden und unter weiteren Auflagen statt.

Es gehört zu den Besonderheiten der Boggera, dass man an vielen Stellen aussteigen kann, um einen Sprung zu vermeiden – oder ihn zu wiederholen. Zum Teil hat man auch die Wahl zwischen einem kleineren und einem grösseren Sprung oder kann sich abseilen. «Das macht die Schlucht besonders geeignet für Einsteiger und für Gruppen», sagt Katrin Blumberg. «Man kann die Tour ohne grösseren Aufwand an die Gäste anpassen.»

Die höheren Sprünge lasse ich von nun an aus. Im Wasser abseilen oder Rutschen runtergleiten ist eher nach meinem Geschmack. Ohne Angststarre nehme ich auch die märchenhaft schöne Fels- und Wasserwelt um mich herum wahr. Geschliffener Granit, klares Wasser und ab und zu ein Infinity-Pool mit Ausblick über die Riviera. Das ist tatsächlich krass.

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