Welche Krankenkasse bietet die für meinen Fall am günstigsten Konditionen? Jedes Jahr beginnt die Rechnerei aufs Neue.
Welche Krankenkasse bietet die für meinen Fall am günstigsten Konditionen? Jedes Jahr beginnt die Rechnerei aufs Neue. Credit: Adobe Stock

«Nicht nur mit dem Kassenwechsel kann man Prämien sparen»

Jedes Jahr wechseln sechs bis zehn Prozent der Versicherten ihre Krankenkasse. Neben der Höhe der Prämien gilt es, auch andere Kriterien zu berücksichtigen, wie Felix Schneuwly vom Internet-Vergleichsdienst comparis.ch erklärt.

Interview: Artur K. Vogel

Herr Schneuwly, in der Grundversicherung haben alle Krankenkassen denselben gesetzlichen Auftrag, und alle in der Schweiz wohnhaften Personen müssen obligatorisch eine Grundversicherung abschliessen. Wodurch erklären sich die teilweise erheblichen Unterschiede in den Prämien?
Die Prämien unterscheiden sich, weil der Konsum der versicherten medizinischen Leistungen in den einzelnen Kantonen und Prämienregionen variiert. Sie unterscheiden sich aber auch in derselben Prämienregion, weil nicht alle Kassen gleichermassen effizient arbeiten.

Das Jahr 2021 ist bereits fortgeschritten. Bis wann kann man die Grundversicherung noch wechseln?
Wer die Kasse per 1. Januar 2022 wechseln will, muss dafür sorgen, dass die Kündigung spätestens am Dienstag, 30. November 2021, bei der alten Kasse eingetroffen ist. Es gilt nicht der Poststempel! Wer per Mail kündigt, sollte eine Bestätigung verlangen. Am einfachsten ist der Wechsel online über ein Portal wie comparis.ch. Und auch eine rechtzeitige Kündigung ist nur gültig, wenn bis Ende Jahr alle offenen Prämien- und anderen Rechnungen der alten Kasse bezahlt sind.

Da in der Grundversicherung, im Gegensatz zu den Zusatzversicherungen, eine Aufnahmepflicht für die Krankenkassen gilt, kann man, selbst wenn man zwischen Weihnachten und Neujahr im Spital liegen sollte, weder gar nicht noch doppelt versichert sein.

Wie viel Prozent der Schweizer wechselt jeweils in der entsprechenden Periode Ende Jahr die Kasse, bei der sie die Grundversicherung abschliessen?
Je nach der durchschnittlichen Prämienerhöhung wechseln sechs bis zehn Prozent die Krankenkasse. Entscheidend ist die individuelle Prämienerhöhung und nicht das objektive Sparpotential. Wer noch nie die Kasse gewechselt hat, könnte am meisten sparen.

Worauf soll man schauen, wenn man die Kasse wechseln will?
Man kann ja nicht nur mit dem Kassenwechsel Prämien sparen. Mit der Maximalfranchise spart man unabhängig von der Prämienhöhe 1540 Franken pro Jahr, mit einem Telmed-, Hausarzt- oder anderen alternativen Versicherungsmodell zwischen zehn und 25 Prozent der Jahresprämie, ohne die Kasse zu wechseln. Auf comparis.ch kann man den Hausarzt angeben und sieht dann, welches Hausarztmodell diesen Hausarzt berücksichtigt.

Zur Person

Felix Schneuwly, 61, lic. phil I / Executive MBA, studierte nach einer Lehre als Sanitär-Installateur in Courtaman FR und der Matura in Bern an der Universität Freiburg/Fribourg Psychologie, Berufsberatung und Journalistik, arbeitete danach in Bern als Geschäftsführer für die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) sowie für den Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV), danach in Solothurn als Leiter Politik und Kommunikation für den Verband der Schweizer Krankenversicherer santésuisse. Seit 2011 ist er Leiter Public Affairs und Krankenversicherungsexperte beim Internetvergleichsdienst comparis.ch AG in Zürich.

Gibt es neben den wirtschaftlichen auch andere Überlegungen, die man bei einem Kassenwechsel berücksichtigen sollte?
Wer mit einem Kassenwechsel Prämien sparen will, sollte auch auf die Kundenzufriedenheit und auf die Vergütung der ambulanten medizinischen Leistungen achten. Einige günstige Kassen wie Assura oder die CSS-Tochter Sanagate vergüten nur Rechnungen, die von den Patienten bereits bezahlt worden sind (tiers-garant). Andere Kassen bezahlen die Rechnungen direkt (tiers payant) und verrechnen den Kunden, wie bei den stationären Leistungen, nur deren Kostenbeteiligung (Franchise und Selbstbehalt). Insbesondere für chronisch Kranke ist dieser Unterschied wichtig.

«Wer mit einem Kassenwechsel Prämien sparen will, sollte auch auf die Vergütung der ambulanten medizinischen Leistungen achten.»

Nun ist es nicht so, dass die teuerste (oder die günstigste) Grundversicherung unbedingt die beste ist. Nach welchen Kriterien wird bei Comparis die Qualität einer Krankenversicherung gemessen?
Bei den repräsentativen Befragungen bewerten die Kundinnen und Kunden jeweils:

  1. Das Preis-Leistungsverhältnis

  2. Leistungen: Qualität und Service

  3. Information, Kommunikation und Transparenz

  4. Kundenfreundlichkeit beim

  5. direkten Kontakt

  6. Innovation

  7. Zufriedenheit insgesamt

Wenn wir die mitglieder­stärksten Kassen betrachten: Wie sieht hier die aktuelle Rangliste aus?Heuer sind 29 Kassen auf der Notenskala 1 bis 6 bewertet worden. Die Rangliste der mitgliederstärksten Kassen sieht so aus:

  1. Note 5.2: Agrisano, Aquilana und Swica

  2. Note 5.1: Helsana, KPT und ­Sanitas

  3. Note 5: CSS, Concordia, ÖKK, Sympany und Visana

  4. Note 4.9: Atupri

  5. Note 4.8: Groupe Mutual und EGK

  6. Note 4.6: Assura

«Zahnversicherungen für Kinder und Kranken- sowie Rettungstransporte sind die sinnvollsten Zusatzversicherungen.»

Und wie genau kommt Comparis auf diese Benotung?
Comparis.ch führt jährlich eine Befragung zur Zufriedenheit von Kunden mit ihren Versicherungsanbietern in den Kategorien Krankenkassen-Grundversicherung, Autoversicherung, Hausrat- und Haftpflichtversicherung sowie Hypotheken durch. Die Befragung wird gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Intervista durchgeführt. Im Juni 2021 befragte Intervista 3519 Personen aus der Deutschschweiz, der Romandie und dem Tessin online; diese gaben insgesamt 10935 Bewertungen für Versicherungsanbieter ab. Jede befragte Person konnte in jeder Kategorie Anbieter bewerten.

Gibt es auch Kriterien, um Zusatzversicherungen zu bewerten?
Nein, nur die Grundversicherung wird bewertet.

In diesem Bereich, nehme ich an, sind die Unterschiede noch viel grösser als in der Grundversicherung, oder?
Das könnte sein. Ältere Kunden wechseln die Grundversicherung kaum, auch wenn sie das dürften. Aus der Zusatzversicherung können sie nur aussteigen.

Haben Sie Erkenntnisse darüber, welche Zusatzversicherungen sinnvoll sein können und welche eher nicht?
Was sinnvoll ist, muss jede und jeder selber entscheiden. Geht man von der Deckung der Grundversicherung aus, sind Zahnversicherungen für Kinder und Kranken- sowie Rettungstransporte am sinnvollsten. Spitalzusatzversicherungen geraten unter Druck. Komplementärmedizin ist sehr beliebt.

Sind Versicherungsgesellschaften tendenziell kulanter bei Kunden, die ihr längere Zeit die Treue halten, oder ist das kein Kriterium?
Kulanz ist in der Grundversicherung verboten, weil sich jede Kasse an die Pflichtleistungen gemäss Krankenversicherungsgesetz halten muss. Seit der Risikoausgleich verbessert worden ist, spielt Kundenbindung durch gute Servicequalität jedoch eine wichtigere Rolle, auch für teure, kranke Kunden, denn für diese bekommen die Kassen ja Geld aus dem Risikoausgleich. Und gesunde Kunden haben mit ihrer Krankenkasse eh nichts zu tun; die Kasse muss aber für sie in den Risikoausgleich einzahlen.

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