Sein Vorbild ist Forrest Gump: Jonas Deichmann umrundete die Welt schwimmend, radelnd und laufend. Blasen hatte er dabei keine, dafür aber Muskelfaserrisse. 
Sein Vorbild ist Forrest Gump: Jonas Deichmann umrundete die Welt schwimmend, radelnd und laufend. Blasen hatte er dabei keine, dafür aber Muskelfaserrisse.  Credit: Markus Weinberg

«Einfach machen!»

Der Wahlschweizer Jonas Deichmann hat per Triathlon die Welt umrundet. Im April kommt sein Abenteuer in die Kinos.

Tina Bremer

An den Moment, als ihm die Idee kam, erinnert er sich genau. In der Sahara war das. Damals war er schon hunderte Kilometer unterwegs gewesen, irgendwo zwischen dem nördlichsten Punkt Europas und dem südlichsten Afrikas – mit dem Fahrrad. Die Sonne brannte vom Himmel und Jonas Deichmann von innen. Eine Lebensmittelvergiftung raubte ihm die Kräfte. Dass er tagelang nur ungefiltertes Wasser trinken konnte, machte es nicht besser. Eine Grenzerfahrung.

Aber an solche ist Deichmann gewöhnt – er ist Meister darin, die eigenen zu überwinden. Immer wieder. Der heute 34-Jährige war dabei, den dritten Weltrekord für die schnellste Durchquerung eines Kontinents aufzustellen, als ihm jene besagte Idee kam: Einmal die Welt umrunden, aber nicht mit dem Schiff oder Flugzeug, sondern laufend, radelnd, schwimmend. «Ich plane stets das nächste Projekt. Nach den vielen Radrenntouren wollte ich etwas Neues. Vor jedem Abenteuer frage ich mich: Würde ich es machen, wenn ich keinen Cent verdienen würde? Wenn die Antwort Nein lautet, lasse ich es bleiben.»

Der deutsche Forrest Gump

Im September 2020 ging es schliesslich los. Nicht in 80 Tagen um die Welt, sondern in 430. Schwimmend durch die Adria, radelnd von Dubrovnik bis an den äussersten Zipfel Sibiriens und laufend durch Mexiko. Bei seiner dritten Etappe, der Laufstrecke, machte die Pandemie Deichmann einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich wollte er die USA durchqueren. «Aber die Grenze war zu. Das einzige Land, das mich reingelassen hat, war Mexiko. Das war das Beste, was mir passieren konnte.»

Credit: Markus Weinberg

Im Land der Maya und des Mezcal wurde der drahtige Mann mit dem langen Bart gefeiert wie ein Held. Die Menschen feuerten ihn an, liefen hinter ihm her und mit ihmmit. In jedem Dorf wartete ein Empfangskomitee auf ihn, selbst Drogenbosse wollten ein Selfie mit ihm. «Es war wie ein Volksfest. Das Schöne am Laufen ist, dass man anders als beim Radfahren oder Schwimmen viel leichter mit den Menschen in Kontakt kommt. Sie nannten mich den deutschen Forrest Gump», sagt der gebürtige Stuttgarter, der vor zwei Jahren nach Solothurn gezogen ist.

«Das Schöne am Laufen ist, dass man anders als beim Radfahren oder Schwimmen viel leichter mit den Menschen in Kontakt kommt.»

Das passt, ist «Forrest Gump» doch Deichmanns Lieblingsfilm. Selbst beim Laufen schallt der Soundtrack aus den Lautsprechern seines Anhängers. Sein Lieblingslied: «On the Road» von Willie Nelson. Was er an der Geschichte des eigenwilligen Lauftalents so mag? «Die Figur ist mir sympathisch – er macht Dinge einfach, ohne gross darüber nachzudenken. Diese Einstellung habe ich auch: einfach machen! Wenn man vorab alles durchplant, fängt man nie an, dann kommt immer etwas dazwischen.» Vielleicht ist das auch der Grund, warum Deichmann auf seinen Touren stets allein unterwegs ist, ohne Begleitung und Helfer. «Mir geht es ja ums Abenteuer. Ein Team löst Probleme für dich, aber es wird doch erst interessant, wenn es kompliziert wird. Ich möchte Probleme alleine lösen.»

Wagemut in der DNA

Der Abenteuergeist scheint in den Genen zu liegen. Schon sein Vater nahm Klein-Jonas zu Bergtouren mit, träumt davon, um die Welt zu segeln. Grossvater Klaus ist es jedoch, der den Funken in Jonas entzündet: «Er lebte knapp dreissig Jahre im Urwald in Guinea, als Schlangenfarmer in einem Camper», erzählt Deichmann. «Als ich etwa sechs Jahre alt war, besuchte ich ihn das erste Mal. Er kam mir mit einer Schlange um den Hals entgegen, diesen Anblick werde ich nie vergessen.» Infiziert vom Abenteuervirus seines «Opa Afrika», sucht Deichmann Junior heute selbst unbekanntes Terrain. Ganz ohne Vorbereitung geht es dann aber doch nicht. «Für die Laufstrecke habe ich im Jura trainiert. Bin mit zwei Autoreifen im Schlepptau die Berge hochgesprintet.»

Trotzdem gab es in Mexiko Anfangsschwierigkeiten für den Radrennprofi. Werden beim Fahrradfahren und Schwimmen doch andere Muskeln beansprucht als beim Laufen. «Die ersten Tage konnte ich abends kaum gehen, musste mich regelrecht an den Wänden hochziehen. Ich hatte lauter kleine Muskelfaserrisse.» Nur Blasen, die bekam er so gut wie nie an den Füssen. Insgesamt legte der Wahlschweizer laufend 5060 Kilometer in 117 Tagen zurück – eine Strecke von 120 Marathons. Zeit, sich jetzt, nach über einem Jahr, auszuruhen? Mitnichten. Das nächste Projekt ist bereits in Planung. Natürlich. «Wie es aussehen wird, verrate ich noch nicht», sagt Deichmann. «Nur so viel: Nächstes Jahr im Sommer werde ich die Welt noch einmal umrunden, auf eine Art und Weise, wie es noch nie jemand vorher gemacht hat.»

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